Seenotrettungskreuzer Alfried Krupp verunglückt vor 30 Jahren schwer
Norderney. Anfang Januar 2025 jährt sich eines der schwersten Unglücke aus der Geschichte der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) zum 30. Mal. In der Nacht vom 1. auf den 2. Januar 1995 verunglückte der Seenotrettungskreuzer ALFRIED KRUPP der Station Borkum auf dem Rückweg von einem Einsatz in der Nordsee schwer. Vormann und Maschinist kamen ums Leben. Seenotretter der Station Norderney retteten zwei weitere Crewmitglieder. Jetzt, drei Jahrzehnte später, zeichnet eine aufwendige Filmdokumentation der DGzRS die Ereignisse der tragischen Nacht nach.
Eine Tonbandkassette gab den Ausschlag: Seit 1995 wird das Tondokument aus der Rettungsleitstelle See – damals noch Seenotleitung Bremen genannt – im Archiv der DGzRS aufbewahrt. Längst hat sich die Technik der Sprachaufzeichnung im Maritime Rescue Co-ordination Centre (MRCC) Bremen – so die internationale Bezeichnung – verändert. Doch durch glückliche Umstände wurde das Band mit den Sprachaufzeichnungen der Unglücksnacht nun digitalisiert.
In den Fokus trat nach nunmehr nahezu 30 Jahren neben dem schweren Verlust von zwei Kollegen auch der mutige Einsatz der Norderneyer Seenotretter, die seinerzeit unter beinahe unvorstellbar schwierigen Bedingungen die beiden Überlebenden retteten und den schwer beschädigten Seenotrettungskreuzer ALFRIED KRUPP mit dem Seenotrettungskreuzer OTTO SCHÜLKE in Sicherheit brachten. Das 1997 außer Dienst gestellte Spezialschiff ist heute Museumsschiff auf Norderney.
Drei der Besatzungsmitglieder der OTTO SCHÜLKE von damals treffen sich in der 35-minütigen Filmdokumentation an Bord und erinnern sich an ihren herausforderndsten Einsatz.
Das Unglück der ALFRIED KRUPP ist eines der schwersten in der bald 160-jährigen Geschichte der DGzRS. Nahezu bei Orkan waren die Borkumer Seenotretter mit dem Seenotrettungskreuzer ausgelaufen, um sich an der Suche nach einem über Bord gegangenen Kollegen der niederländischen DGzRS-Schwestergesellschaft Koninklijke Nederlandse Redding Maatschappij (KNRM) zu beteiligen.
Der Mann wurde schließlich durch einen Hubschrauber gerettet. Doch auf dem Rückweg von diesem Einsatz geriet die ALFRIED KRUPP westlich von Borkum am Abend des Neujahrstages 1995 um 22.14 Uhr in eine schwere Grundsee. Maschinist Theo Fischer wurde dabei über Bord gespült.
Die ALFRIED KRUPP war manövrierunfähig. Ihre Maschinen hatten sich aus Sicherheitsgründen automatisch abgeschaltet. Der Mast war von der Gewalt des Wassers abgeknickt, die Scheiben eingedrückt, Wasser ins Deckshaus eingedrungen. Mit einem Handfunkgerät gelang es den verbliebenen drei Besatzungsmitgliedern einen Notruf abzusetzen.
Ein Such- und Rettungshubschrauber der Marine versuchte, die Seenotretter vom Vorschiff der ALFRIED KRUPP abzubergen, musste aufgrund der schweren See das Manöver jedoch abbrechen. Auf dem Weg zurück in den sicheren Aufbau wurde Vormann Bernhard Gruben ebenfalls von überkommenden Seen über Bord gerissen.
Erst gegen 2 Uhr in der Nacht gelang es den Norderneyer Seenotrettern mit der OTTO SCHÜLKE unter extremen Bedingungen und großer Gefahr für das eigene Leben, den beiden Überlebenden zu Hilfe zu kommen. Sie nahmen die schwer beschädigte ALFRIED KRUPP auf den Haken und schleppten sie nach Eemshaven.
Behutsam rekonstruiert der rund 35-minütige Film die Ereignisse unter anderem anhand der Original-Tonbandaufnahmen der Unglücksnacht aus der Rettungsleitstelle See und durch aktuelle Interviews mit den Rettern der Station Norderney sowie weiteren Zeitzeugen.
Trotz aller Technik – im Mittelpunkt steht immer noch der Mensch. Eindringlich führt die Dokumentation vor Augen, welchen Naturgewalten sich die Seenotretter stellen – damals wie heute.
Der Film ist ab sofort auf der Website der Seenotretter (seenotretter.de/retter-in-seenot) und auf dem YouTube-Kanal der DGzRS (youtube.com/dieseenotretter) zu sehen.
Seit Gründung der DGzRS 1865 sind insgesamt 45 Seenotretter in Ausübung ihres Dienstes ums Leben gekommen. 2020 wurde die ALFRIED KRUPP nach 32 Einsatzjahren außer Dienst gestellt.
Seit Ende 2023 steht das Schiff im Such- und Rettungsdienst der uruguayischen Marine.