Baltrum

Hier kennt jeder jeden

Klein aber fein. Mit gerade mal 600 Einwohnern ist Baltrum die kleinste Ostfriesische Insel. Autofrei – sämtlicher Lieferverkehr per Pferd – und mit kurzen Wegen zum Strand geradezu perfekt für junge Familien mit Kindern. (Foto: Gemeinde Baltrum)

 

Baltrum durchlebe jedes Jahr einen natürlichen Lockdown, schrieb jüngst augenzwinkernd ein auf der Insel lebender Arzt und beschrieb damit die Wintermonate, während der fast alle Baltrumer Restaurants geschlossen sind und sich nur sehr wenige Gäste auf der 650 Hektar kleinen Insel aufhalten. Mit 600 dauerhaft auf der Insel lebenden Menschen ist Baltrum sowohl Einwohner- als auch flächenmäßig die kleinste der sieben Ostfriesischen Inseln und liegt zwischen Norderney und Langeoog genau in der Mitte der Perlenkette. In der Hochsaison gesellen sich etwa 4.000 Urlaubsgäste hinzu. Das ändert jedoch nichts an der Ruhe und sprichwörtlichen Unaufgeregtheit der Insel. Selbst im Sommer kann es vorkommen, dass man bei einem Spaziergang durch die Dünenlandschaft kaum auf andere Menschen trifft. So klein die Insel auch ist, so weitläufig ist ihre Natur. Nur etwa ein Zehntel der Inselfläche ist bebaut, unmittelbar daran grenzen Dünen, Salzwiesen, kleine Wäldchen und ein schier endloser feiner Sandstrand – der Nationalpark Wattenmeer.

Mit Ausnahme der Feuerwehr- und Rettungsfahrzeuge fahren auf Baltrum keine Autos. Jeglicher Lieferverkehr, ja selbst die Müllabfuhr kommt mit der Pferdekutsche. Die Baltrumer selbst fahren Fahrrad oder gehen zu Fuß, denn besonders weite Wege gibt es nicht. Vom Dorf zum Strand sind es nie mehr als fünf Minuten zu laufen, darum existiert auf der Insel aus Prinzip kein Fahrradverleih. Straßen gibt es schon, aber keine Straßennamen. Die Häuser sind einfach durchnummeriert, chronologisch nach der Erschließung der Grundstücke. So erklärt sich, warum sich neben Haus Nummer 3 nicht etwa die Nummer 4 befindet, sondern die Nummer 316. Die Baltrumer Postboten müssen sich auskennen auf ihrer täglichen Route. Für die Gäste gibt es einen Ortsplan, auf dem alle rund 330 Hausnummern vermerkt sind. Das älteste Haus trägt die Nummer 8: die Alte Inselkirche von 1826. Kaum größer als ein heutiges Wohnzimmer steht sie neben ihrem hölzernen Glockenturm, dem Wahrzeichen der Insel, und wird heute für Andachten zu besonderen Anlässen und für Hochzeiten genutzt.

Die kleine Inselgemeinde teilt sich in drei Dörfer: Das größte davon, das Westdorf, liegt nur wenige Schritte vom Fähranleger und Bootshafen entfernt, umrahmt und vor Sturmfluten geschützt von der ummauerten Westspitze der Insel. Hier befinden sich die meisten Geschäfte, Cafés und Restaurants, die drei Inselkirchen, zwei Museen, das Rathaus, das Meerwasser-Schwimmbad, das Haus des Gastes und das Kinderspöölhus. Gemütlich zwischen Dünen und Salzwiese liegt das Ostdorf und versprüht durch seine kleinen Gärtchen einen ganz märchenhaften Charme. Zu guter Letzt vereinen sich eine Handvoll zum Teil noch ursprünglicher Insulanerhäuser zum Alten Ostdorf inmitten der Dünenlandschaft. Wer etwas über die Geschichte der Inseldörfer und deren Bewohner erfahren will, kann dies am eindringlichsten im Museum Altes Zollhaus tun, dem liebevoll eingerichteten Inselmuseum.

Auch im Winter eine Reise wert. Foto: Denis Metz

Mitten im Weltnaturerbe

Die Natur des Unesco Weltnaturerbes Wattenmeer ist allgegenwärtig. So kann es einem durchaus passieren, dass morgens auf der Hotelterrasse ein Austernfischer vorbeischaut. In den Dünen und entlang der Salzwiesen kommen Vogelbeobachter auf ihre Kosten. Ringelgänse, Pfuhlschnepfen, Große Brachvögel und viele andere Zugvögel rasten hier und futtern sich satt für den Weiterflug. Wieder andere Vögel brüten an der Wattkante: Vor Baltrum liegt die größte Lachmöwen-Brutkollonie Deutschlands.

Südlich vor Baltrum erstreckt sich eine weltweit einzigartige Landschaft: Das Wattenmer. Alle zwölf Stunden offenbart sich der Meeresgrund, man kann darüber laufen und eines der vielfältigsten Ökosysteme der Welt entdecken – sofern man mit einem erfahrenen Wattführer unterwegs ist. Das Nationalpark-Haus Wattenmeer liegt gleich als erstes Haus hinter dem Hafen außerhalb des Deiches auf einer Wurt und hat sich in seiner Ausstellung dem faszinierenden Phänomen der Gezeiten verschrieben. Für interessierte Naturliebhaber werden verschiedene Vogel-, Dünen- und Wattführungen angeboten. Wer lieber allein loszieht und dabei in kurzer Zeit verschiedene Vegetationszonen durchstreifen möchte, nutzt den sieben Kilometer langen Gezeitenpfad. Der Rundweg erklärt auf Infotafeln und Aktivmodulen spielerisch alles Wesentliche über die Flora und Fauna im Nationalpark Wattenmeer.

Thalasso vor der Tür

Gut für die Abwehrkräfte! Durch die Kleinheit der Insel und die stetige Nähe zur Nordseebrandung genießt man das wohltuende Reizklima und die salzhaltige Luft praktisch an jedem Ort. Neben täglichen Wanderungen am Meer wirkt selbstverständlich auch das Schwimmen im Meer unterstützend für das Immunsystem. Der Badestrand wird von Mai bis September von den Rettungsschwimmer:innen der DLRG bewacht. Ist die Nordsee gerade mal zu kalt oder zu stürmisch zum Baden, bietet das Meerwasser-Schwimmbad „SindBad“ mit drei Saunen und angrenzendem Café eine angenehme Alternative. Das Kur- und Heilmittelzentrum nebenan bietet Massagen und therapeutische Thalasso-Anwendungen an. Apropos Thalasso: Während die umliegenden Nordseebäder mit ihren umfangreichen Thalasso-Angeboten werben, rühmt sich Baltrum damit, weltweit die erste Herrenthalasso-Insel zu sein. Was das ist, verraten wir an dieser Stelle nicht. Aber das findet man schnell heraus.

Baltrum, die Kinderinsel!

Ein besonderes Augenmerk widmet die Insel Baltrum jungen Familien mit Kindern. Durch die Autofreiheit und die kurzen Fußwege ist der Urlaubsort geradezu perfekt für kleine Entdecker! Verlaufen kann man sich nicht, Spielplätze gibt es an jeder Ecke, so wie den 2022 neu eingeweihten Bewegungspark „Wuppdi“, den Erholungs-Trimm-dich-kletter-Seilbahn-Naturerkundungs-Spielplatz für alle Generationen. Spielt das Wetter mal nicht mit, bietet das Kinderspöölhus einen überdachten Spielplatz mit Toberaum, Bastelaktionen, Puppentheater-Aufführungen und vielem mehr.

Insulaner machen Kultur

Außergewöhnlich groß für die kleine Insel ist das kulturelle Angebot Baltrums. Außergewöhnlich vor allem deshalb, weil die Insulaner seit jeher ihre Kultur selbst auf die Beine und auf die Bühne stellen. Bei der Inselbühne etwa wirken aktuell 65 Baltrumer:innen mit, also mehr als jeder zehnte Einwohner der Insel, und führen in jedem Sommer bis zu drei verschiedene Theaterstücke auf. Dazu gibt es einen Shanty-Chor, eine Flötengruppe, eine Strandrockband und eine Reihe weiterer Musik- und Bühnengruppen, welche im Winter eifrig proben, um im Sommer für ihre Gäste aufzutreten.

Foto: Denis Metz

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